Vor zwei Tagen habe ich angefangen, einen therapeutischen Bericht für eine Klientin zu schreiben. Ich sichtete den Verlauf, die umfangreichen Unterlagen und machte mir erste handschriftliche Notizen. Die wiederum füllten schnell eine ganze Seite und in mir schlich die Ahnung hoch, dass dieser Bericht wohl doch nicht in einigen Sätzen geschrieben sein wird. Dann griff ich zum Laptop und begann zu tippen.
Den roten Faden finden
Schließlich habe ich mich knapp drei Stunden an dem Bericht abgearbeitet. Die wesentlichen Punkte waren in eine erste Reihenfolge gebracht; unter dem Strich aber blieb ich unzufrieden. Irgendwie saß das alles noch nicht an seinem Platz. Meine Argumentation wirkte lahm und wenig folgerichtig – kurzum: Mir fehlte der roten Faden. Also tat ich das, was unser Kater bestens beherrscht: Ich legte mich schlafen. - Gegen 2 Uhr nachts wurde ich dann wach … da war doch was … ach ja, mein Bericht … Nun empfand ich meine Arbeit vom Vortag geradezu als unerträglich schlecht, fand hier und dort einen Mangel, überlegte, wie ich es anders machen könnte. Das ärgerte mich: Ich wollte lieber meine Ruhe .. darüber schlief ich dann wieder ein.
Das Wesentliche notieren
Als ich am frühen Morgen wieder aufwachte, schwirrten mir immer noch einzelne Gedankenfetzen durch den Kopf. Aber etwas hatte sich gewandelt: Mir gefiel, was da in meinem Kopf auftauchte. Das klang schlüssig. Genau so könnte ich den Bericht anpacken. Ich stand auf, nahm mir ein Blatt Papier und notierte alle Punkte. Nachmittags setzte ich mich dann wieder an meinen Laptop. Und nun hatte ich ihn, meinen roten Faden.
Licht ins Dickicht bringen
Viele Menschen, die zum ersten Termin in meine Praxis kommen, haben eine gemeinsame Not: Sie stecken fest in einer Sackgasse und hoffen auf eine schnelle Lösung ihrer Probleme. Das verstehe ich. Zugleich haben Sie sicher schon einmal erlebt, dass sich leidvolle Umstände nicht mit der Brechstange ändern lassen. Manche Problemlagen sind über die Zeit derart verdichtet, dass wir den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen. Wie lässt sich Licht in dieses Dickicht bringen?
Vertrauen und locker lassen
Eine Möglichkeit besteht im Vertrauen darauf, dass sich Haltungen, Gegebenheiten oder Umstände zurechtrücken, wenn Sie die Zügel etwas locker lassen und auf ihren Körper vertrauen. Für Partnerschaften kann dies zum Beispiel ganz konkret bedeuten, dass ein Problem nicht bis zum Abend geklärt werden muss. Manche Paare diskutieren stundenlang per Whatsapp oder im Bett bis tief in die Nacht über eine Kränkung – ohne sich wirklich verstanden und damit erleichtert zu fühlen.
Im Schlaf bleibt das Gehirn aktiv
Nicht alles lässt sich vor dem Schlafengehen lösen – und das ist auch gut so. Denn im Schlaf bleibt unser Gehirn aktiv. Die tagsüber gesammelten Daten werden neu klassifiziert und gespeichert. Gerade nach emotional belastenden Gesprächen mag es sein, dass Sie morgens klarer aufwachen und die Streitpunkte des Vortags lockerer sehen. Nun wäre also eine gute Gelegenheit, sich noch einmal in Ruhe zusammenzusetzen. Gibt es wirklich noch etwas zu klären? Falls ja, was genau macht Ihnen zu schaffen? Vielleicht finden Sie nun Worte, ohne den Anderen zu treffen. Falls Ihr Problem von gestern heute keines mehr ist, dann darf es gut sein.
Manchmal darf es auch gut sein
Etwas gut sein lassen zu können, heißt für mich, einander zu akzeptieren und das Problem von gestern als erledigt zu betrachten. Über eine Angelegenheit zu schlafen bedeutet also, Abstand von etwas zu nehmen und unser Gehirn arbeiten zu lassen. Ist da also etwas dran? - also an den gut gemeinten Ratschlägen, die wir nicht gern hören wollen, weil sie meist zur falschen Zeit kommen: „Schlaf erst mal eine Nacht drüber“ oder „Morgen sieht die Welt schon wieder anders aus“.
Schlaf hilft bei komplexen Problemen
Im Internet stieß ich dazu auf einen interessanten Hinweis. In einem Artikel (veröffentlicht im Psychoscope – Magazin für Psychologie, Ausgabe 5/17) berichtet die Autorin über eine Studie von Padraic Monaghan, Professor für Kognition im Fachbereich Psychologie an der Universität Lancaster. Monaghan konnte nachweisen, dass Schlafen die Lösung komplexer Probleme fördert. Gebildet wurden zwei Gruppen von Freiwilligen, die eine Verbindung zwischen verschiedenen Wörtern herzustellen hatten und zwar in den Schwierigkeitsstufen einfach und anspruchsvoll. Die erste Gruppe hatte noch am selben Tag zu antworten; die zweite Gruppe durfte eine Nacht drüber schlafen. Das Ergebnis: Die Gruppe, die schlafen durfte, schnitt bei den anspruchsvollen Fragen deutlich besser ab als die schlaflose Vergleichsgruppe. Bei den einfachen Fragen gab es keine Unterschiede.
Eigene Erfahrungen sammeln
Vielleicht ergeht es Ihnen wie mir und Sie möchten Ihre eigenen Lösungen finden. Dann sammeln Sie Ihre eigenen Erfahrungen zu diesem Thema. Vielleicht erkennen Sie, dass sich einige Probleme wirklich im Schlaf lösen lassen, andere wiederum nicht. Wie auch immer: So ganz nebenbei bekommen Sie auf diese Weise hier und da eine Handvoll Schlaf. Und der wiederum tut nicht nur Katzen gut.